Chronik der Brav Junge von 1948 e.V.
Während die „Kirmes“ normalerweise mit der Entstehung der Kirche als Fest zu Ehren des jeweiligen Kirchenpatrons entstand, ging es bei der Entstehung der „Flittarder Kirmes“ etwas anders zu:
Leider scheiden sich bis zum heutigen Tage noch die Geister wie unsere Kirmes überhaupt entstanden ist. Fest jedoch steht, dass vor der Gründung der Brav Junge die Tradition der Flittarder Kirmes von den „Jelochsjunge“ aufrechterhalten wurde.
Die Jelochsjunge bestanden aus den jüngeren männlichen Bewohner des Dorfes. Diese übernahmen mitunter die Verantwortung dafür, dass unser „Zacheies“ während der Kirmestage nicht abhanden kam. Aus den umliegenden Ortschaften wurden regelrechte Kommandos ausgeschickt um sich des „Zacheies“ zu bemächtigen. Die Jelochsjunge hatten so manchen Disput auszufechten um den Zacheies in den eigenen Reihen bewahren zu können denn der Unehre sich den Zacheies entwenden zu lassen wollte und will man sich auch in der heutigen Zeit nicht beschuldigen lassen.
Die Folgen der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten in den 30iger Jahren bekamen leider auch die Jelochsjunge zu spüren. Die so genannte Gleichschaltung von Vereinen, Chören sowie Traditionsgemeinschaften etc. ging leider auch nicht an den Jelochsjunge vorüber.
Unter Gleichschaltung wird im Groben die Einschränkung oder der Verlust der individuellen Persönlichkeit verstanden. Im Besonderen handelt es sich um ein Wort aus der nationalsozialistischen Terminologie, der den Prozess der Vereinheitlichung des gesamten gesellschaftlichen und politischen Lebens – also das öffentliche und das private Leben – in Deutschland zwischen 1933 und 1934 bezeichnet.
Mit der Einführung der staatlich organisierten Erntedankfeste ab dem Jahre 1933 verging den Jelochsjunge nach und nach die Lust und Freude die Kirmes in Flittard auszurichten. Die Kirmes schlief nach und nach ein und der leidliche Ausbruch des 2. Weltkrieges brachte diese dann im Jahre 1939 vollständig zum Erliegen.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges im Jahre 1946 wurde, in Flittard, von
– Edmund Esser,
– Hans Fuchs
– Peter Heuser
– Rudolf Hoffmann
– Theobald Hoffmann
– Walter Hoffmann
– Johann Keldenich
– Heinrich Müller
– Toni Müller
– Werner Moyzio
– Heinz Paffrath,
– Josef Sargang
– Josef Zimmermann und
– Edmund Wirowski
der Kegelclub „Naaksühle“ gegründet.
Dieser Kegelclub ergänzt durch die Flittarder Bürger
– Willi Müller
– Franz Niesen
– Hans Schmitz
riefen dann, als Jelochsjunge, die Flittarder Kirmes wieder ins Leben.
Erfreulicherweise war damit im Jahre 1948 wieder der Anfang für die Ausrichtung der Kirmes wieder gemacht. So kam es dann, dass im selben Jahr die „Brav Junge“ gegründet wurden.
Die Gründungsmitglieder waren:
– Heinrich und Ludwig Darmstädter
– Max Engels
– Karl Groß
– Heinz Hamacher
– Theo Klein
– Anton und Peter Lang
– Hans Schmitz
– Willi Schmitz
– Robert Schröder
– Franz Niesen
– Hubert Thönnessen
– Peter Wacker
– Josef Wirtz
– Josef Zimmermann.
Mit der Gründung der Brav Junge wurde die Flittarder Kirmes fester Bestandteil des geselligen und freudigen Lebens in unserem Dorf.
Die Entwicklung der Brav Junge
In das Gründungsjahr der „Brav Junge“ fiel die Währungsreform mit der Einführung der D-Mark. Man war dabei Not und Elend hinter sich zu lassen wenn jedoch die finanziellen Möglichkeiten Feste & Feiern zu veranstalten sehr gering waren. Die schwierigste Aufgabe in den ersten Jahren war es die Kosten für die Ausrichtung der Kirmes zu stemmen. Unter dem Vorsitz von Hubert (Schieres) Thönnessen (1948 – 1961) ist es den „Brav Junge“ aber immer wieder gelungen. Nachdem 1958 kein Festsaal mehr zur Verfügung stand wurde ein Festzelt aufgestellt. Hierüber konnte die finanzielle Basis gefunden werden, um die Kosten für die Kirmes zumindest teilweise zu erwirtschaften.
Unter dem Vorsitz von Willi (Hötte Will) Schmitz (1961 – 1963) und Max Engels (1963 – 1980) wurde weiter dafür gearbeitet die artechte Kirmes zu feiern.
Seit 1968 führen die „Brav Junge“ das Festzelt in eigener Regie. Dadurch wurde die Vereinigung in die Lage versetzt zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Die „ Brav Junge “ unterstützten sporadisch bis heute bedürftige Flittarder Bürger und bei besonderen Anlässen, z.B. Goldhochzeiten und Geburtstagen von betagten Bürgern, erweisen sie diesen eine Ehrung.
Mit dem Bau der Schützenhalle 1971 bekamen die Brav Junge, für die Ausrichtung der Kirmes, ein festes Dach über dem Kopf.
Die Struktur Flittards änderte sich natürlich im Laufe der Jahre; aus dem Dorf wurde ein Stadtteil mit fast 10.000 Einwohner. Aktuell leben in Flittard ca. 8500 Einwohner.
1973 schrieb Max Engels, zum 25 jährigen der Brav Junge, in der Festschrift – Das Dorf ist Vergangenheit. Die Tradition soll aber weiterleben und sie lebt.
20 Mitglieder umfasste 1973 die Vereinigung der “ Brav Junge „.
Von 1980 bis 1986 war Helmut Hansen der Vorsitzende. Helmut Hansen haben wir es zu verdanken, dass wir seit 1982 unser Domizil den Oossehoff haben, wo wir unsere Utensilien für die Kirmes lagern, Versammlungen und auch kleine Feste abhalten können. Wie es im Leben so geht, standen die Brav Junge plötzlich vor einer Zerreissprobe. Mitgliederveränderungen und das beherzte Zupacken der verbliebenen Brav Junge führten dazu, dass in der Zeit des Vorsitzes von Günter Schneider (1986-1990) und Karl-Theo-Frohwein (1990-1991) die Brav Junge wieder festen Grund unter die Füße bekamen.
Die Zahl der Mitglieder stieg, nach dem deutlichen Aderlass, bis 1989 wieder auf 26 Brav Junge an. Die Brav Junge stehen ein für das Miteinander der Vereine und der Interessengemeinschaften in Flittard. Das äußere Zeichen hierfür ist der „Ortsbaum“, der genau auf der Grenze von Alt- und Neu-Flittard steht.
Die Brav Junge haben sich, unter dem Vorsitz von Peter Solich (1991-1996) für den Ortsbaum stark gemacht. Im Rahmen einer Feier wurde der Baum 1994, mit 14 Emblemen bestückt, eingeweiht.
In 1993 sind die Brav Junge auf 28 Aktive- und 24 Fördermitglieder angewachsen. Diese Entwicklung zählt zu den Verdiensten von Peter Solich.
Im 50. Jubiläumsjahr hatten wir 32 Aktive- und 24 Fördermitglieder, davon 2 weibliche, einen Ehrenvorsitzenden und ein Ehrenmitglied.
Das wir uns über die Jahre hinweg so entwickelt haben ist Garant dafür, dass die Tradition der Flittarder Kirmes, die 1946 wieder auflebte und seit 1948 durch die Vereinigung der Brav Junge weitergeführt, auch in Zukunft gepflegt wird.
Im 60. Jubiläumsjahr hatten wir 56 Mitglieder, davon 3 weibliche, einen Ehrenvorsitzenden, sowie zwei Ehrenmitglieder.
Heute, im Jahr 2009, haben sich 76 Mitglieder in den „Brav Junge“ zusammen gefunden.
Die Brav Junge und Ihre Kirmes in Flittard
Die Flittarder Kirmes ist kein städtisches Fest sondern Sie gehört zum Brauchtum der Rheinischen Kirmes, auch bekannt als die “Kirmes auf dem Dorf“.
Es wird gemeinhin davon ausgegangen, dass von der Bevölkerung in Flittard schon vor über 200 Jahren ein Erntedankfest gefeiert wurde. Darüber hinaus kann ebenso davon ausgegangen werden, dass seinerzeit bereits ein Gemeindefest zum Termin der Weihe der örtlichen Kirche gefeiert wurde. Welche der beiden damaligen Feste die Grundlage für die Flittarder Kirmes in Ihrer heutigen Art und Weise darstellt ist, wie bereits erwähnt, nicht einwandfrei zu ergründen jedoch auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
Als Termin für die Austragung der Kirmes ist den geschichtlichen Schriften über Flittard zu entnehmen, dass die Kirmes immer am Sonntag nach Michel gefeiert wurde.
An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass der Heilige Michael seit dem 4. Jahrhundert verehrt wird und seit der Kalenderreform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil – in einem eigenen Fest am 29. September gefeiert wird. Ursprünglich war dieser Tag der Weihetermin der Kirche Sankt Michael in Rom. Einigen Rombesuchern wird der Heilige Michael besser als Standbild auf der Engelsburg unweit des Petersplatz bekannt sein.
Als Symbol unserer Kirmes wiederum gilt unser werter “Zacheies“, der zur Eröffnung der Kirmes seit je her ausgegraben wird. Die jährliche Ausgrabung unseres “Zacheies“ findet mittlerweile unter reger Teilnahme der örtlichen Kinder statt und ist wohl eine Anspielung auf die Reliquienverehrung vergangener Jahrhunderte.
Ihm können auch Schandtaten, die während der Kirmes geschehen sind zugeschrieben werden.
Zum Abschluss der Kirmes wartet auf den “Zacheies“ stets schlicht das Begrabenwerden bis zur kommenden Kirmes.
Dies wiederum zeigt in netter Art und Weise wie der Kirmesbrauchtum insgesamt Kirchliches und Weltliches unbekümmert zusammen zu fügen vermag.
Seit altersher gehört zum Kirmesbrauch das Hahneköppe. Hierbei handelt es sich wohl um die Übernahme eines Erntebrauchs. Im Ernte -und Kirmesbrauch wurde der Hahn des Dorfes vor dem Köppen in einer Gerichtsverhandlung wegen seiner unsittlichen Lebensweise (Begattung von Hühnern aus fremden Ställen) zum Tode verurteilt.
Es könnte aber auch aus der Zeit der französischen Besatzung stammen. Die Besatzungsmächte, damals wie heute, erfreuten sich beim unterdrückten Volk keiner großen Beliebtheit. Doch trotz Gehorsam und Unterwürfigkeit nach außen hin fanden die Unterdrückten Mittel und Wege den Besatzern „eine Nase zu drehen“. Denn beim Hahneköppe wurde symbolisch der “Gallische Hahn”, das nationale Tier der Besatzer, hingerichtet. Der Hahn, der schon vorher tot und ausgeblutet ist, wird kopfüber in einen Weidekorb gehängt, so dass nur Hals und Kopf des Hahnes aus dem Korb ragen.
Es gilt, mit verbundenen Augen und stumpf geschliffenem Säbel, den Kopf vom Rumpf zu trennen. Wem der entscheidende Schlag gelingt wird Hahnekünning. Und wird von den Brav Junge geehrt und er erhält den Betrag aus dem Losverkauf zum Hahneköppe damit er auf die errungene Würde seinen Freunden einen ausgeben kann. Da der Hahnekünning viele Freunde hat, ist der Griff in das eigene Portemonnaie unvermeidlich.
Seit der Kirmes der Jahres 2007 haben sich die Brav Junge dazu entschieden den Kopf und den Rumpf nunmehr künstlich aus einer Hanf-Verbindung zu fertigen. Dies hat nun zur Folge, dass keinerlei tierische Bestandteile im Rahmen des eigentlichen Hahneköppe mehr zur Anwendung kommen.
Die Brav Junge erweiterten das Programm der Kirmes im Jahre 1948 um das Schürreskarrerennen welches bis zum heutigen Tage ein nicht mehr weg zu denkender Höhepunkt geworden ist.